07.03.2016: Prag – Pressburg

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Ursprünglich hatte ich für den heutigen Tag geplant, weiterhin Prag zu besichtigen und gegen 18:00 Uhr nach Bratislava (Pressburg) weiterzufahren. Doch mein Plan sollte sich nun ändern, und zwar — man glaubt es kaum — wegen Johannas Kindergeburtstagsfeier am Tag vor meiner Abreise. Daran anschließend zeigten unsere eigentlich weißen IKEA Stuhlbezüge nämlich Schokoladenflecken, und nachdem ich die Waschmaschine dann versehentlich auf 60°C statt auf 40°C gestellt hatte, halb zwischen Aufräumen, Abendessen und Koffer packen, teilte mir Sandra in einer Grußnachricht am vorigen Tag auf meinem Handy nebenbei mit, dass sie nun nicht mehr passten, es in Deutschland nur noch braune für je 10 EUR gäbe, in Österreich immerhin noch beige. Dank des mobilen Internets ließ sich schnell herausfinden, dass IKEA in Pressburg noch 52 weiße Bezüge für je 5 EUR vorrätig hatte, dass die Fahrt vom Bahnhof Bratislava mit Bus Nummer 61 nur 19 Minuten dauern sollte und dass man für die IKEA Haltestelle seinen Wunsch auszusteigen per Halteknopf ankündigen muss. Es war also alles geklärt und ich entschloss mich, schon sechs Stunden früher abzureisen, um meinen Großeinkauf noch am selben Tag erledigen zu können. Und weil es gerade so schön war und meine Reisezahnpasta zur Neige ging, fand ich noch schnell heraus, dass die Zahnpasta von LIDL weiterhin bei Stiftung Warentest sehr gut abschneidet, plante meinen Fußweg zurück zum Bahnhof an LIDL vorbei und sorgte für Nachschub. Mit der Zufriedenheit eines erfolgreichen Schnäppchenjägers erreichte ich dann meinen Zug und verließ nach noch nicht einmal 24 Stunden Prag.

Frühstück mit Blick auf die Moldau
Frühstück mit Blick auf die Moldau

Die Strecke nach Pressburg führte quer durch Tschechien, von Böhmen nach Mähren, aber auch an diesem Tag hatte ich mit dem Wetter kein Glück, denn in der Böhmisch-Mährischen Höhe haben sich Schlechtwetterwolken verfangen und es war durchweg neblig und schneite bzw. regnete. Aber in der 1. Klasse im Zug war es dennoch recht gemütlich. 1. Klasse? Ja, ich hatte mich nicht verirrt, sondern mich in diesem Jahr für ein Interrail-Ticket 1. Klasse entschieden, da ich aufgrund fehlender Nachtzugverbindungen auf meiner Strecke deutlich länger tagsüber unterwegs sein werde und mir dieser Umstand ein wenig Komfort Wert erschien. In der jetzigen Jahreszeit, außerhalb der Hauptsaison, wäre das im Nachhinein wohl nicht nötig gewesen – denn der Zug war recht leer, auch in der 2. Klasse. Immerhin wurde mir kostenlos eine tschechische Tageszeitung angeboten.

Ich beschäftigte mich also während der Fahrt mangels Sehenswürdigkeiten draußen erneut mit der Optimierung meines Solitär-Löse-Programms vom letzten Jahr drinnen und überquerte so, natürlich ohne es zu merken, irgendwann im Laufe des Tages die Hauptwasserscheide Europas, jenseits derer das Wasser der Flüsse in die andere Richtung fließt, in meinem Fall also nicht mehr Richtung Nordsee, sondern Richtung Schwarzes Meer.

Wir hielten schon recht bald außerplanmäßig in Moravany, was mir zunächst nicht aufgefallen ist. Nach einiger Zeit ertönten jedoch Lautsprecherdurchsagen im Zug, erst sehr deutlich auf tschechisch, dann durch lautes Knistern und leiser Stimme quasi unhörbar auf englisch. Ich erkundigte mich deshalb bei der Zugbegleiterin, die mich irgendwie an Nina erinnerte, die Assistentin von Götz Alsmann in der Sendung „Zimmer Frei“. Sie erklärte mir, dass es ein technical problem mit der engine gäbe, es aber in 20 Minuten weiter gehen würde. Wie zu erwarten war, korrigierte sie sich 20 Minuten später und erklärte mir und den anderen Fahrgästen, dass nun eine neue Lok angefordert wäre, die in ca. 60 Minuten käme. Wir könnten im Zug bleiben oder aber in fünf Minuten in einen anderen umsteigen. Der würde aufgrund unserer Panne außerplanmäßig dort halten, um gestrandete Fahrgäste mitzunehmen, führe allerdings nicht nach Bratislava, sondern nach Wien. In der Hoffnung, auf der Strecke nach Wien in Brünn (Brno) oder Lundenburg (Břeclav) einen früheren Anschluss für mich zu finden, stieg ich um. Ich fand auf der weiteren Fahrt mit meiner DB Navigator App heraus, dass ich tatsächlich in Břeclav in einen Zug aus Warschau umsteigen könnte – planmäßig hätte ich dazu knappe 4 Minuten Zeit. Aufgrund des außerplanmäßigen Halts in Moravany hatten wir allerdings 7 Minuten Verspätung. Ich fragte die neue Zugbegleiterin, ob mein Anschlusszug ein paar Minuten warten könnte, aber sie beruhigte mich und erklärte, dass auch der verspätet sei, um ca. 20 Minuten, ich würde ihn also in jedem Fall erreichen. In Břeclav, kurz vor dem Aussteigen, stand sie zufällig neben mir, erinnerte sich wohl an meine Frage und berichtete, dass mein Anschluss aus Warschau nun 40 Minuten verspätet sei — es gäbe aber noch einen verspäteten Zug aus Prag, bei dem die Lokomotive ausgetauscht worden wäre, der sei jetzt vermutlich eher da. So war es dann auch — immerhin konnte ich mir in Břeclav während der Wartezeit bei kaltem „Hamburger“ Pieselwetter kurz die Füße vertreten und in einem Café auf dem Bahnhofsplatz einen Snack kaufen.

Als ich in Bratislava ankam, war ich statt der geplanten vier Stunden also gut fünfeinhalb unterwegs. Meinen Koffer gab ich im Bahnhof bei der Aufbewahrung ab, denn ich hatte ja noch einen Kurztrip mit dem Bus zu IKEA vor und gelangte an mein Ziel, ohne den Halteknopf gedrückt zu haben. Tatsächlich gab es dort ausreichend passende Stuhlbezüge, und statt der benötigten 8 entschied ich mich, 15 zu kaufen — um den Rest für spätere Missgeschicke im Keller zu lagern oder sie bei EBay gewinnbringend zu vertickern.

Der anschließende Weg mit meinem Koffer vom Bahnhof zum Hotel dauerte ca. 20 Minuten und war neben dem Weg zum Bahnhof in Prag die längste Zeit, in der ich mich an diesem Tag körperlich bewegt habe. Er führte am slowakischen Präsidentenpalast vorbei, vor dem gerade ein Reporter in eine Fernsehkamera sprach, vermutlich über die komplizierte politische Situation des Landes nach Ausgang der Parlamentswahl zwei Tage zuvor.

Fernsehreporter vor dem Präsidentenpalast in Bratislava
Fernsehreporter vor dem Präsidentenpalast in Bratislava
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06.03.2016: Hamburg – Prag

Meine diesjährige Bahnreise nach Osteuropa begann ähnlich wie die im Jahr 2015, nämlich viel zu früh und mit dem ersten Ziel Berlin. Allerdings hatte ich dieses Mal keinen dienstlichen Termin dort, sondern durfte gemütlich im Zug sitzen bleiben und dösen. Nach dem nächsten Halt in Dresden führte mich meine Strecke durch die sächsische Schweiz, eine wie immer beeindruckend schöne Landschaft — allerdings aufgrund schlechtem Wetters leider nicht sehr fotogen.

Basteibrücke bei Rathen vom Zug aus gesehen, inklusive Oberleitung
Basteibrücke bei Rathen vom Zug aus gesehen, inklusive Oberleitung

Erfreut habe ich festgestellt, dass wir die tschechische Grenze ohne Passkontrolle überquerten – nach den Nachrichten der letzten Wochen hätte mich eine Kontrolle ehrlich gesagt nicht gewundert. Weiter ging es durch die böhmische Schweiz entlang der Elbe. Gegen Mittag erreichte ich dann Prag, die erste Station meiner Reise, die ich hauptsächlich als Zwischenstopp gewählt habe, zumal ich sie bereits zwei Mal besucht habe. Mein Hotel lag direkt an der Moldau, nördlich vom Altstädter Ring, und auf dem Fußweg dorthin war ich gespannt, ob sich seit meinem letzten Besuch vor 13 Jahren viel getan hat. Und ja, ich denke, 2003 lagen bestimmt noch nicht drei Starbucks Filialen allein am Wenzelsplatz. Damals fand ich auch nicht an fast jeder Ecke auf Absinth spezialisierte Spirituosenläden, Shisha-Utensiliengeschäfte und Thai-Massage-Studios… alles nicht sehr typisch für Prag. Außerdem konnte ich mich nicht daran erinnern, dass es damals schon so viele Trdelník-Stände gab. Das Gebäck wird dort als lokale Spezialität angeboten, allerdings kann man im Internet lesen, dass es weder aus Prag noch aus Tschechien, sondern aus der Slowakei stammt. Stattdessen fehlten die kleinen Verkaufswagen von damals, an denen die wirklich typischen Karlsbader Oblaten verkauft wurden und die ich eigentlich erwartet habe — sogar in den Supermärkten, die ich diesbezüglich aufsuchte, gab es nur abgewandelte Varianten mit Schokolade. Naja, immerhin haben sie es offenbar geschafft, als geschützte geographische Angabe eingetragen zu werden, sogar gegen Einspruchs Deutschlands und Österreichs. Vielleicht lag das Fehlen der Oblatenverkäufer ja auch am Wetter: Obwohl meine App auf dem Handy nur 10% Regenwahrscheinlichkeit anzeigte, fing es bereits kurz nach dem Einchecken in meinem Hotel an zu regnen, und das sollte sich später am Nachmittag noch häufig wiederholen. Selbstverständlich hatte ich für meinen Spaziergang zum Schloss Hradčany und weiter zur Prager Altstadt nicht meine Regenjacke mit, denn ich nahm naiverweise an, mit dem ersten Schauer seien die 10% bereits abgegolten. Stattdessen trat die 10%ige Wahrscheinlichkeit eher an 70% des Nachmittags ein, und zwar zu dann 100%… aber Statistik ist manchmal eben schwer zu durchdringen. Jedenfalls landete ich so nach meiner kleinen Tour ein wenig durchnässt auf der zugigen Karlsbrücke, als es bereits dämmerte und sich immerhin kurz die Sonne blicken ließ.

Blick von der Karlsbrücke in Prag zum Hradčany
Blick von der Karlsbrücke in Prag zum Hradčany

Noch müde vom frühen Aufstehen und ein wenig fröstelig beschloss ich, dass sich die Straßen Prags bei Nacht wohl nicht viel seit meinem letzten Besuch geändert haben, und kehrte ins Restaurant Velryba in der Prager Neustadt ein, in dem Sandra und ich bereits 1999 waren und das wir als Studenten sehr gemütlich fanden. Es gab noch wie damals Spaghetti mit Tomatensauße und Risotto, und mir fiel auf, dass Prag auch noch heute eine günstige Stadt ist, zumindest ein wenig außerhalb der Touristenläden. Restaurants, in denen ein großes Bier 1,90 € kostet, sucht man in Hamburg eher vergebens.

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