Wenn man es genau betrachtet, dann führte meine Reiseplanänderung dazu, dass meine Fahrten mit der Bahn erst einen Tag später als ursprünglich geplant zu Ende gingen. Meine letzte Bahnfahrt auf dieser Reise war nämlich jetzt die mit dem Leonardo Express zum Flughafen Rom und nicht die einen Tag zuvor nach Bari.
Dazu musste ich wieder einmal viel zu früh und wieder um 06:25 Uhr von meiner zweiten Unterkunft in Rom aufbrechen, denn mein Flug nach Belgrad ging um 09:20 Uhr. Im Gegensatz zu meiner Abreise aus Hamburg konnte ich mir dieses Mal auf dem Weg zum Bahnhof allerdings Zeit lassen.
Während meiner Wartezeit am Flughafen und während des Fluges konnte ich mich erneut meinem „Hobby“ widmen, mit dem ich schon bei meinen letzten Reisen gut Zeit überbrücken konnte, nämlich mit dem Schreiben einer Software, die automatisch das Solitaire-Murmelspiel auf verschiedenen Brettern löst. Da ich mich ja immer nur ein Mal im Jahr damit befasse, war ich doch überrascht, wieviele Komponenten ich in den Jahren zuvor und auch im letzten Jahr, zum Beispiel nach dem Verzehr eines Asia-Nudelsnacks in Böhmisch Krumau, fertiggestellt habe. Aber es gab noch viel zu tun, und so dauerte es gefühlt nicht lange, bis ich mich auf dem Landeanflug nach Belgrad befand. Da dort meine Bahnreise zwei Jahre zuvor endete, versuchte ich von oben Bekanntes zu entdecken und erkannte tatsächlich die Save und die sozialistischen Bausünden des Stadtteils Novi Beograd.
Nach gut zwei Stunden Aufenthalt auf dem Flughafen verließ ich Belgrad bereits wieder in Richtung Skopje und so vernünftig meine Entscheidung von gestern auch gewesen ist, wurde mir im Vergleich zur Anreise nach Rom klar: Wenn man fliegt, dann reist man im wahrsten Sinne des Wortes abgehoben. Schaut man aus dem Fenster, dann sieht man keinen Müll an den Gleisen oder an der Straße, die Klamotten der Leute auf dem Land, ihre Frisuren, keine teils verbeulten Autos, die an der Schranke warten. Nein, während eines Fluges wird die Reise geografisch: Hier ein Höhenzug, da ein Meer, hier ein paar Wolken, da ein Fluss, schwupps, anschnallen, Handy aus, Landeanflug. Hat nichts mit dem Leben der Leute da unten zu tun. So, das reicht wohl erstmal an philosophischen Gedanken. Aber um so mehr freute ich mich, dass meine Reise auf dem Land ja noch weiter geht.

Während des Fluges im völlig unterbesetzten Airbus machte ich mich ein wenig über Mazedonien schlau – viele der dieses Land betreffenden politischen Ereignisse müsste ich ja damals in den Nachrichten Anfang der 90er beim Zerfall Jugoslawiens live mitbekommen haben müssen, aber damals interessierte ich mich offenbar ziemlich wenig für Politik. So las ich, dass Mazedonien schon seit Jahren in Beitrittsverhandlungen mit der EU ist, allerdings erst ein Streit mit Griechenland über die Landesbezeichnung beigelegt werden muss, denn Griechenland bezeichnet mit dem Begriff „Makedonien“ nordgriechisches Gebiet. Offenbar hat es wohl ein paar Fortschritte geben, gelöst ist das Problem aber noch nicht. Zudem kamen dann die Mazedonier auf die für mich als Laien reichlich dumme Idee, den Flughafen in Skopje nun ausgerechnet „Flughafen Alexander der Große“ zu nennen. Der stammt aber gar nicht aus der Gegend, sondern tatsächlich aus Griechenland. Insofern wird, so denke ich, ein EU-Beitritt Mazedoniens wohl noch eine Weile dauern…
Vom Flughafen brachte mich ein vom Hotel organisiertes Taxi zu meiner Unterkunft. Der Taxifahrer war allerdings neun Jahre während seiner Kindheit in der Schweiz und sprach noch gut Deutsch mit leichtem Schweizer Akzent und er berichtete von der zunehmend schlechten Luft in Skopje, vor allem im Sommer aufgrund des fehlenden Windes und aufgrund vieler nicht einer EU-Norm entsprechenden Autos mit schlechten Abgaswerten. Und er erzählte, wie er die Nachbarländer Mazedoniens findet: Montenegro – schön; Albanien – billig; Griechenland – teuer; Kosovo – interessant.
Meine Unterkunft lag sehr zentral und hatte zudem einen Wellnessbereich mit Indoorpool und Sauna. Die wollte ich später am Tag noch ausprobieren, aber vorher meine neu gewonnene Zeit noch für einem kleinen Spaziergang durch die Stadt nutzen. Das Hotel grenzt direkt an den osmanisch geprägten Altstadtkern mit Moscheen und niedlichen, verwinkelten, kleinen Gassen. Die Läden hatten zwar alle geschlossen, denn es war Sonntag, aber in kleinen Cafés sah ich ältere Herren türkischen Tee trinken, Sonnenblumenkerne knabbern, Karten spielen und Zigarette rauchen. Auf der südlichen Seite der Vardar sah die Stadt eher westlich aus, was mich ein wenig an die Viertel Sultanahmet und Beyoğlu in Istanbul denken ließ, die ja einen ähnlich unterschiedlichen Charakter auf den beiden Seiten des goldenen Horns haben.

Wieder im Hotel angekommen machte ich mich anschließend wie geplant auf den Weg in den Wellnessbereich, hatte allerdings, wie ich dann erfuhr, nur ein paar Minuten Zeit für den Pool, denn dort sollte ein wenig später eine Bachelor-Party für ein paar Girls steigen. Ich fragte mich, warum die Mitarbeiter des Hotels dafür überall rote herzförmige Luftballons und ebenfalls rote Kerzen dekoriert haben – vielleicht hatte die Feier eher was mit dem Fernsehformat „Der Bachelor“ zu tun? Ich wusste es nicht… In die Sauna sind sie jedenfalls nicht nachgekommen.