13.02.2018: Skopje – Plowdiw

An diesem Tag weckte mich wie am Tag zuvor der Muezzin von der Moschee nebenan um 05:45 Uhr, allerdings schien er heute besonders viel zu erzählen haben, denn als er fertig war, war ich definitiv wach und konnte bis zum Klingeln der Weckerapp meines Handys um 06:30 Uhr nur noch ein wenig dösen. Kurz danach musste ich auch aufstehen, denn der letzte Bus am Morgen nach Sofia fuhr um 08:30 Uhr. Warum keine Bahn? Für viele Verbindungen in Südosteuropa gibt es keine Zugverbindungen und der öffentliche Fernverkehr wird über Busse abgewickelt. Immerhin konnte ich mich noch am Frühstücksbuffet stärken. Als sehr professionell wird mit mein Kellner im Gedächtnis bleiben, hatte er sich doch offenbar am Vortag meinen Getränkewunsch gemerkt und servierte er mir nun ungefragt einen Kaffee, noch bevor ich vom Buffet zu meinem Tisch zurückkehrte.

Wie geplant erreichte ich nach einem kleinen Fußmarsch den Busbahnhof Skopje und zahlte für die erste Fahrt an diesem Tag nach Sofia 980 Denar, also etwa 16 Euro. Meine Hoffnung auf eine Steckdose im Bus oder gar WLAN gab ich auf, als ich ihn erspähte – er war sehr klapprig und fuhr offenbar ein paar Jahrzehnte vorher in Deutschland, denn im Innenraum klebten noch ein paar verbeulte Aufkleber aus Blech mit der Aufschrift „Rauchen verboten“ und von der Decke hing ein nicht mehr funktionierender Blaupunkt-Fernseher. Den Bus teilte ich mir mit insgesamt etwa 15 anderen Passagieren, unter anderem einem jungen Touristen aus Fernost und mehreren Leuten aus Polen und Albanien.

Leider konnte ich durch die sowohl innen als auch außen mit Sonnenschutzfolie verklebten Fenster die Landschaft draußen nur erahnen, sah aber, dass wir uns nach einer kurzen Fahrt auf der Autobahn per Landstraße dem Osogowogebirge  näherten. Auf einem Pass erreichten wir nach gut zwei Stunden die verschneite mazedonisch-bulgarische Grenze. Nachdem alle Passagiere ihre Reisepässe einem mazedonischen Ausreisebeamten ausgehändigt haben, verbrachten mehr als zwei Drittel der Leute die Wartezeit auf die fertige Bearbeitung unserer Dokumente draußen vor dem Bus bei einer Zigarette. Wir fuhren ein paar Meter weiter und die ganze Prozedur wiederholte sich mit einem bulgarischen Einreisebeamten.

Stopp an der mazedonisch-bulgarischen Grenze
Stopp an der mazedonisch-bulgarischen Grenze

Einige Minuten später wurde unser Bus noch von einem bulgarischen Zollbeamten inspiziert. Offenbar hatte er mich auserwählt, denn er blieb an meiner Sitzreihe stehen und zeigte auf meinen Rucksack. Ich fragte ihn, ob er einen Blick hinein werfen möchte und er nickte, aber noch während ich den ersten Reisverschluss öffnete und dem kurzen Dialog „Nationality?“ – „German.“ – „Tourist?“ – „Yes.“ winkte er ab und ging weiter.

Nach insgesamt einer Dreiviertelstunde Aufenthalt an der Grenze konnten wir endlich unsere Fahrt durch die verschneite Landschaft in Bulgarien fortsetzen. Die EU hatte mich wieder, ich konnte wieder umsonst mobil nach Deutschland oder zu Sandra und Johanna nach Österreich telefonieren und wir gelangten in die Osteuropäische Zeitzone. Nach nur zehn Minuten Fahrt hielten wir allerdings erst einmal erneut und machten eine weitere Viertelstunde Pause, die einige Passagiere dazu nutzten, sich für das Mittagessen mit einer Tüte Chips zu versorgen. Währenddessen bekam ich mit, dass die polnische Reisegruppe offenbar einen anderen Passagier dafür begeistern konnte, bei ihnen zu arbeiten, es ging um die Baubranche in Deutschland. Dem möglichen künftigen Mitarbeiter leuchteten ein wenig die Augen, als ihm angeboten wurde, für 5 Euro pro Stunde und kostenloser Unterkunft auf der Baustelle für ein Jahr zu arbeiten, denn Arbeiter auf dem Bau seien Mangelware. Ich erinnerte mich an die Baustelle unserer Wohnung vor knapp vier Jahren, auf der bei unseren Besuchen während der Rohbauphase auch nur wenige Leute deutsch sprachen.

Auf der Weiterfahrt fiel mir beim Blick aus dem Fenster tatsächlich auf, dass wir wieder in der Europäischen Union waren, denn ich sah diverse Hinweisschilder auf mir bekannte Geschäfte wie Billa oder Kaufland. Ich vertrieb mir wie auch schon in den letzten Tagen ein wenig die Zeit damit, alle kyrillischen Schilder, die ich sah, zu entziffern und wenn möglich zu übersetzen. Mit einer halben Stunde Verspätung erreichten wir den wirklich extrem hässlich gelegenen Bahnhof Sofias, neben dem sich auch der Busbahnhof befindet. Busse nach Plowdiw fuhren glücklicherweise mehrfach stündlich, so dass ich auf dem Busbahnhof erst einmal ein paar Lew ziehen und mir anschließend ein Brötchen kaufen konnte.

Quiz für Interessierte an der kyrillischen Schrift Interessierte: Deutsche Ziele von Buslinien aus Skopje
Quiz für Interessierte an der kyrillischen Schrift: Deutsche Ziele von Buslinien aus Skopje

Es stellte sich heraus, dass die nächste Verbindung nur fünf Minuten später startete, und ich entschied mich aufgrund der Verspätung, mir meine Füße nicht noch kurz zu vertreten, sondern die direkt Fahrt anzutreten, um noch bei Tageslicht an meinem Reiseziel einzutreffen.

Die Fahrt führte uns durch eine hübsche verschneite Hügellandschaft zwischen Rila- und Balkangebirge mit Nadelwäldern, die es exakt so auch in Deutschland hätte geben können. Der Bus war deutlich komfortabler und hätte sogar WLAN gehabt, die Autobahn war gut ausgebaut – also alles fast wie zu Hause. Als wir in Plowdiw eintrafen, hatte allerdings bereits der Feierabendverkehr begonnen, so dass wir mit einer weiteren halben Stunde Verspätung am Busbahnhof eintrafen.

Meine Unterkunft in Plowdiw lag direkt neben dem Stadtzentrum und hatte einen Pool und Sauna. Letztere hätte allerdings noch eine Stunde zum Aufheizen benötigt, so dass ich nur ein paar Bahnen im Pool zog – eine schöne Abwechslung nach dann doch fast acht Stunden sitzen. Auf dem Weg durch die Altstadt zu einem Restaurant stellte ich fest, dass sie sehr charmant wirkte und ich freute mich schon auf den nächsten Tag.

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