08.03.2020: Zagreb – Sarajevo

Der heutige Tag sollte ein weiterer Reisetag zu meinem ersten wirklichen Ziel Sarajevo werden. Leider verkehren wegen eines Streits zwischen Kroatien und Bosnien/Herzegowina derzeit keine Züge zwischen den beiden Ländern. Auf einer Blog-Internetseite eines Bahnreisenden durch Europa fand ich im Rahmen meiner Planung einen Vorschlag für einen Plan B: Zunächst mit der kroatischen Bahn durch eine schöne Gegend bis nach Hrvatska Kostajnica, von dort aus zu Fuß über die Grenze nach Bosanska Kostajnica, und von dort mit einem Taxi eine Stunde weiter bis nach Banja Luka. Von dort fahren Züge nach Sarajevo, allerdings pendlerfreundlich um 05:30 Uhr morgens und um 16:30 Uhr nachmittags. Glücklicherweise habe ich zufällig einen Tag vor meiner Abreise auf der Internetseite der Bosnischen Eisenbahn einen Hinweis gefunden, dass aufgrund eines Erdrutsches derzeit gar keine Züge von Banja Luka fahren würden. Ich hätte also in jedem Fall mit dem Bus nach Sarajevo fahren müssen und noch mehr Zeit verloren. Insofern entschied mich kurzfristig für die eine Weiterfahrt von Zagreb per Bahn bis zur mir bis vor wenigen Tagen völlig unbekannten Grenzstadt Slawonski Brod, um von dort aus nach Sarajevo zu gelangen. Soviel zur Planung.

Nach einer ein wenig unruhigen und kurzen Nacht im Schlafwagen (ob der späten Abfahrt in München) begrüßte mich beim Blick aus dem Fenster die Landschaft des schönen Sloweniens entlang der Save bei morgendlichem Sonnenschein und entschädigte das nächtliche Ruckeln des Zuges. Wir kamen pünktlich in Zagreb an und beim Aussteigen stellte ich fest, dass unser Nachtzug nur noch aus einer Lokomotive, einem einzigen Schlafwagen und einem einzigen weiteren Wagen mit Sitzplätzen bestand. Neben mir stieg nur noch eine weitere Dame aus unserem Waggon aus, ansonsten war er leer. Ich hatte plötzlich das Gefühl, dass für den Preis meines Tickets ordentlich etwas getan wurde, denn es wurden mehrere Tonnen Stahl durch drei Länder befördert und ein löslicher Kaffee kurz vor dem Aussteigen war auch noch inklusive.

Die zwei Stunden bis zu meiner Weiterreise vertrieb ich mir mit einem Bummel durch die schöne Altstadt Zagrebs, die ich noch von meinem Besuch vor vier Jahren erinnerte. Ich konnte sehen, dass der Kathedralenturm wie damals renoviert wird und noch immer (oder schon wieder?) eingerüstet ist. Das sonnige frühlingshafte Wetter ließ mich in einem Café an einem der Hauptplätze Zagrebs verweilen und anschließend wieder zurück zum Bahnhof schlendern.

Der Markt in der Altstadt Zagrebs bei morgendlichem Sonnenschein

Die knapp dreistündige Fahrt nach Slawonski Brod verging einigermaßen schnell, brachte mich aber leider wieder unter bedeckten Himmel. Der Ort selbst entpuppte sich für Anfang März und für einen Sonntag doch als erwartungsgemäß langweilig, denn alle Geschäfte und auch die meisten Cafés hatten geschlossen. Nach einem Bummel samt Koffer zur Festung (es gab keine Schließfächer am Bahnhof), die auf meiner Karte recht imposant aussah, sich dann allerdings als große Baustelle darstellte, vertrieb ich mir die Zeit erst in einem Café mit W-LAN und Cappucino und gleich anschließend direkt nebenan in einem Restaurant mit W-LAN und Pljeskavica, denn ich hatte seit einem Croissant morgens noch nichts gegessen.

Eine ganz nette Ecke in Slawonski Brod. Unschön sind nur die Einschlagsspuren von Geschossen aus der Zeit des Bosnienkrieges, die an vielen Häusern noch zu sehen waren (zum Beispiel seitlich der linken Eingangstür, auch im Mauerwerk).

Anschließend hatte ich bei Dämmerung noch eine Stunde Zeit für einen Spaziergang an der Save (mit Koffer), bevor ich dann die vierstündige Busreise nach Sarajevo hinter mich brachte. Ich hatte mir offenbar zu viele Gedanken gemacht, denn der Bus fuhr doch wie geplant. Glücklicherweise gab es auch im Bus W-LAN, so vergeht jeder noch so lange Tag ohne große Langeweile. Er brachte mich einigermaßen unkompliziert hinter die Grenzen der EU, denn die Grenzüberquerung wirkte hier ein wenig professioneller als vor zwei Jahren von Nordmazedonien nach Bulgarien und dauerte nicht mal eine Stunde. Aber wir mussten auf Kommando alle mit unserem Pass und Wertsachen den Bus verlassen, dann fuhr der ein paar Meter über die Grenze vor, und wir durften nach passieren des Grenzschalters und Passkontrolle wieder einsteigen – und das gleich zwei Mal, nämlich bei der Ausreise aus Kroatien und auch eine Brückenlänge weiter bei der Einreise nach Bosnien. So befand ich mich am Ende meines zweiten Reisetages  schon ganz schön weit entfernt von Hamburg – vor vier Jahren in Belgrad war ich ähnlich weit entfernt bereits am Ziel. Die Klimaanlage im Bus war freundlicherweise so warm gestellt wie früher die in der Hamburger U-Bahn, so dass ich die Sauna meines Hotels, die ich aufgrund der Uhrzeit verpassen würde, gar nicht sehr vermisste. Gegen Mitternacht erreichte ich dann sehr müde meine Unterkunft und freute mich auf ein nicht ruckelndes Bett und einen reisefreien nächsten Tag.

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Kategorisiert als 2020

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