Gestern in Mostar bei Dunkelheit angekommen, freute ich mich heute auf einen ganzen Tag vor Ort, denn die Altstadt gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. Da sich allerdings ein wenig Hochnebel hielt und es noch nicht so richtig sonnig werden wollte, beschloss ich, zunächst mit dem lokalen Bus ins nahegelegenen Blagaj zu einem Derwischkloster aus dem späten 15. Jahrhundert zu fahren. Die Fahrt gemeinsam mit vielen Einheimischen führte durch kleine Örtchen, ein Industriegebiet und leider auch vorbei an jeder Menge Müll, sowohl als Müllberge neben nicht geleerten Containern als auch in Form von zerfetzten Plastiktüten und -flaschen überall am Wegesrand und in den Büschen.
In Blagaj angekommen, kam mir auf dem Weg zum Kloster eine türkische Touristengruppe entgegen, ansonsten war kaum etwas los – am Fußweg öffneten langsam die Sourvenirbudenbesitzer ihre Verschläge und schienen auf ein paar Tagestouristen zu hoffen. Das Kloster – ein einzelnes Haus mit einem vorgelagerten Restaurant – liegt direkt an einer Felsöffnung, aus der mit Macht der Fluss Buna hervorquellt – ein sehr malerisches Motiv.

Jetzt während der Frühlingszeit war der Wasserspiegel des Buna deutlich sichtbar höher als im Sommer, denn die unteren Terrassen der anliegenden Restaurants befanden sich noch komplett unter Wasser. Durch die Massen an Schmelzwasser aus den Bergen rauschte es am Kloster gewaltig und als um 12:00 Uhr der amtierende Derwisch auf die Galerie stieg und zum Gebet rief, hörten ihn in dem Lärm außer mir und zwei, drei gelangweilten Kellnern vermutlich nur noch die Enten in der Nähe.
Zunächst hatte ich überlegt, den Rückweg zu Fuß zurückzulegen, aber da die Strecke wirklich nicht sonderlich schön und kein Platz für Fußgänger vorgesehen war und es auch keine alternativen Wanderwege gab, verwarf ich die Idee und nahm erneut den Bus. Nachmittags hatte ich dann noch jede Menge Zeit, um die malerische Altstadt Mostars inklusive ihres Wahrzeichens, der alten Brücke, zu besichtigen und zu fotografieren – auch, nachdem die Horden an Tagestouristen schon wieder abgefahren waren und die Gässchen schnell wieder wie ausgestorben wirkten.

Mein Vorrat an Mark neigte sich langsam dem Ende entgegen, und da ich mit meiner VISA-Karte nur Beträge im Wert von mindestens 50 Euro im Ausland abheben kann, entschied ich mich, anschließend mit ein paar zusätzlichen Euros in der lauen Abenddämmerung zum Busbahnhof zu spazieren und die Lage zu peilen. Tatsächlich konnte ich mit Euro bezahlen, ich musste also nicht zusätzliches Geld aus Bosnien als Devisen mitnehmen oder es abends auf den Kopf hauen. Zwei Dinge sind dabei erwähnenswert: Erstens werden die Wechselkurse hier mit Augenmaß angewandt und nicht mit Taschenrechner, ich bekam also meinen Restbetrag irgendwie überschlagen in Mark zurück. Und zweitens wurden hier meine Fahrkahrten noch händisch ausgestellt, denn bereits gestern bekam ich in Sarajevo mein Zugticket auf einem Block per Kugelschreiber ausgefüllt, sogar inklusive Platzkarte – ohne die Nutzung irgend eines elektronischen Geräts! Die Frau hinter dem Schalter muss magische Fähigkeiten besessen haben, denn die Erstellung einer Sitzplatzreservierung ohne Datenbank grenzt für mich heutzutage an ein Wunder, zumal mehrere Schalter geöffnet waren. Mein Busticket für meine Fahrt morgen erhielt ich heute auf die gleiche Weise, allerdings ohne Magie, denn eine Platzkarte gab es nicht.