In dieser Nacht war Zeitumstellung. Schon wieder? Ja, denn ich überquerte die Zeitzonengrenze, und leider verlor ich erneut eine Stunde. Um ein wenig Schlaf zu bekommen, habe ich am Abend zuvor frühzeitig beschlossen, mich hinzulegen. Ich hatte das Gefühl, gerade eingeschlafen zu sein, als es an der Tür hämmerte: „Passport Control!“. Meine Abteiltür war dreifach verriegelt, und es dauerte tatsächlich ein wenig, bis ich die Kette mit einem ziemlich unhandlichen Bolzen gelöst bekommen habe. Aber die Grenzbeamtin kannte das wohl schon, jedenfalls gab es keinen abfälligen Kommentar. Ein wenig später, ich war gerade wieder eingeschlafen, passierte genau das gleiche: „Passport Control!“. Auf meiner Uhr stand 00:50 Uhr, keine Ahnung, ob nach alter oder neuer Zeit, und mein Kommentar, es sei doch bereits eine Passkontrolle gewesen, beantwortete der Grenzbeamte mit „Nooo… Hungary Hungary, Romania Romania“, während er das Passfoto mit meinem Gesicht verglich. Ich sah bestimmt ziemlich verschlafen aus und nicht meinem Passfoto ähnlich und fragte mich, ob es irgendwann eine EU-Richtlinie geben wird, die nicht-biometrischen Schlaf bei Grenzüberschreitungen verbietet.
Viel zu früh, nämlich um 06:00 Uhr – zwei Tage zuvor wäre es 04:00 Uhr gewesen – musste ich mich bereits fertig machen, denn um 06:30 Uhr sollten wir mein erstes Fahrtziel Hermannstadt (Sibiu) erreichen. Der Schaffner klopfte dann auch 20 Minuten vorher an meine Abteiltür und reichte mir ein kleines Plastiktütchen herein mit meinem Frühstück: Eine Flasche Eistee, eine Packung Butterkekse, eine Frühstücksportion Marmelade und ein Tütchen mit Nescafé. Als ich ihn nach heißem Wasser fragte, schüttelte er den Kopf. Ich musste mir also meinen Kaffee mit kaltem Wasser anrühren – mit viel Zucker schmeckte er zumindest ähnlich wie Eiskaffee.

Der Bahnhof in Hermannstadt war klein und es liefen ein paar zwielichtige Gestalten herum, wie wohl auf jedem Bahnhof um diese Uhrzeit. Es gab leider keine Schließfächer, so dass ich mit meinem gesamten Gepäck in die Altstadt gehen musste. Dort hatte auch noch kein Café geöffnet, aber das „Hotel Am Ring“, in dem ich meinen Koffer unterstellen konnte. Es war schon komisch, mitten in Rumänien das Erbe der hier lang ansässigen prägenden Siebenbürger Sachsen zu sehen: Viele Geschäfte und Straßen trugen deutsche Namen, und das Stadtbild wirkte auch recht vertraut. Meine erste vorsichtige Anfrage „English? German?“ im „Café Haller“ eine Stunde später konfrontierte mich allerdings wieder mit der Realität: „English, please.“.
Bei meinem Fotostreifzug durch die Altstadt wurde ich von einem etwas kauzigen älteren Mann angesprochen: Ob ich deutsch spräche. Er erzählte mir – auf deutsch – kurz seine Geschichte: Er sei Luxemburger und mit seiner Familie von Brașov aus mit dem Auto nach Hause aufgebrochen, hier in Sibiu seien sie nur kurz bei McDonalds gewesen, „die Kleine“ hätte versehentlich vergessen, die Autotür zu verriegeln, und so hätte er von drinnen gesehen, wie seine gesamten Wertsachen von ein paar Typen geklaut worden seien. Angeblich war er auch schon bei der Polizei, die hätten ihn an das Luxemburger Konsulat verwiesen, aber dort würde jetzt ein Hotel stehen. Er wollte doch nur nach Hause und fragte mich, ob ich ihn mit dem Auto mitnehmen könnte. Die ganze Geschichte war natürlich völlig unglaubwürdig und ich sagte ihm, dass mir seine Lage sehr leid täte, ich aber nicht mit dem Auto hier sei. Dann fragte er mich, ob ich ihm denn nicht irgendwie helfen könnte, sein Auto hätte kein Diesel mehr und die Kleine hätte ja nur versehentlich die Tür unabgeschlossen gelassen. Ich gab an, dass ich auch kein Geld dabei hätte. „Nein, nein, ich will kein Geld!“, antwortete der Mann gleich, er wolle doch nur weiter nach Hause und ein paar Liter Diesel würden erstmal reichen. Als ich ihm mitteilte, dass ich leider auch kein Diesel dabei hätte, entschuldigte er sich, dass er mich belästigt hätte und ging.
Um 11:00 Uhr fuhr mein Anschlusszug nach Kronstadt (Brașov) durch die Siebenbürger Landschaft. Vom Zug aus konnte ich die südlichen Karpaten sehen, noch mit Schnee bedeckt. Kurz vor dem Bahnhof entdeckte ich dann wieder altbekannte Namen: Hornbach, Deichmann, LIDL.

Meine Tripadvisor-App hat ein rumänisches Restaurant in der Altstadt empfohlen, knapp einen Kilometer von meinem Hotel entfernt, und dort ich hatte die Auswahl zwischen diversen Fleischgerichten, inklusive Zunge, Hirn, Hoden und Magen… ich habe mich dann doch für eine Alternative entschieden, obwohl ich eigentlich gerne eine Winzigkeit hier und da probiert hätte.
