
Heute sollte ich meinen letzten Abschnitt der Reise antreten – meine Fahrt nach Bukarest und gleich von dort weiter nach Konstanza am Schwarzen Meer. Ursprünglich hatte ich überlegt, in Bukarest noch eine Nacht bzw. sogar noch einen Tag zu verbringen, aber ich habe bei meiner ausgiebigen Reiseplanung vorher nicht wirklich etwas entdeckt, was mich von einem längeren Aufenthalt überzeugen konnte. Um ein wenig mehr auszuholen: Eigentlich war Istanbul mein ursprüngliches Endreiseziel für meine Fahrt, so wie das vieler derer, deren Bahn-Reiseberichte durch Osteuropa ich im Internet gefunden habe. Die Bahnstrecke des Bosporus-Express zwischen Bukarest und Istanbul durch Bulgarien wird allerdings derzeit an diversen Stellen erneuert, so dass ich mehrere Male nachts von der Bahn in den Bus hätte umsteigen müssen und umgekehrt – ein etwas anstrengender Abschluss meines Urlaubs, wie ich fand.
Mein drittletzter Tag bestand also aus 5 Stunden Zugfahrt, zunächst von Kronstadt durch die Südkarpaten. Meinen reservierten Sitzplatz am Fenster gab es zwar, er war allerdings belegt, insofern habe ich einen anderen freien Platz im Abteil für mich gewählt, denn es erschien mir ein wenig arrogant, auf englisch die Frau von meinem gebuchten Platz zu vertreiben, zumal sich herausstellte, dass fast alle anderen Reisenden noch nicht mal ihren gebuchten Wagen vorfanden: Meine ein wenig ältere, ebenfalls betroffene Sitzplatznachbarin hat sogar zur Belustigung der anderen Leute im Abteil gleich angedroht, sich beim rumänischen Verkehrsministerium zu beschweren. Auf dem Rest der Fahrt nach Bukarest hat sie weiter das ganze Abteil unterhalten – sie war offenbar weitreichend interessiert, ich verstand nur Wortfetzen wie „Konstantinopel“ und „Byzanz“ aber auch „Galaxie“ und „Sistem Solar“. Beeindruckend auf der Fahrt, neben ihrem Redefluss, waren in jedem Fall noch die Blicke auf die schneebedeckten Südkarpaten und die sich noch in Betrieb befindlichen Skilifte – ja, es ist noch Wintersaison in den Karpaten.

Der Bahnhof in Bukarest wirkte tatsächlich wenig einladend: Die Leute dort wirkten im Schnitt alle ein wenig „abgewrackt“, mit Ausnahme von einigen jungen Touristen mit „Istanbul“-T-Shirts, die offenbar die Bahnersatzverbindung des Bosporus-Express gewählt haben.
Die Fahrt nach Konstanza bescherte mir nun das gleiche Schicksal: Meinen in Kronstadt reservierten Platz gab es nicht und die Nummerierung der vorhandenen Plätze ergab zudem überhaupt keinen Sinn. Ich hatte Platz 36 gebucht, aber auf der einen Seite des Ganges gab es Plätze 31, 32, 34 und 39, auf der anderen 33, 35, 37 und 38, teils mit Aufklebern überklebt. Glücklicherweise war aber doch genug Platz im Zug. Als sich eine andere Passagierin fragend nach ihrem Platz umschaute und ich ihr deshalb gleich erklärte, dass es meinen Platz nicht gäbe ich ich deshalb möglicherweise auf ihrem säße, winkte sie nur gelassen ab und schüttelte wissend den Kopf: „Ah no, well, this is fine“. Ein bekanntes Phänomen?
Auf der Strecke von Bukarest nach Konstanza konnte ich dann, ein wenig wie im Kino, doch einen kurzen Einblick in das ländliche Leben Rumäniens gewinnen: Die Häuser neben den Gleisen waren doch teils wirklich sehr einfach, man sah zwischen ihnen und den Gleisen ab und zu Schäfer mit ein paar Schafen und ein paar Frauen mit Kopftuch entlang schlurfen, ansonsten dort häufig Plastikmüll. Die beiden Highlights der Fahrt waren zum einen die schneebedeckten Karpaten im Norden, die man durch das Fenster noch eine lange Zeit lang sah, sowie die Überquerung der beiden unglaublich breiten Donauarme zwischen Vlașca und Cernavodă.

In Konstanza habe ich mich am Bahnhof nach dem Bus zu meinem Hotel erkundigt, das diesmal nicht fußläufig lag, sondern ein wenig außerhalb im Ferienort Mamaia. Meine Recherchen im Internet vorher haben ergeben, dass ich die Buslinie „Mamaia Estival“ hätte nehmen müsste. Ich war schon damals ein wenig stutzig geworden, weil sich „Estival“ (rumänisch für „sommerlich“) ja eher nach Hauptsaison anhört, zudem waren einige Einträge der „Aktuelles“-Seite der Homepage des Busbetreibers bereits ein paar Jahre alt. Von meiner Busverbindung hatte deshalb auch keiner etwas gehört. Dennoch landete ich nach dem Schildern meines Ziels an der richtigen Haltestelle. Nachdem ich gelernt hatte, dass man dem richtigen herannahenden Bus schnell zuwinken muss, damit er überhaupt hält, habe ich dann beim zweiten Anlauf auch Erfolg gehabt einzusteigen. Mein Mini-Bus der Linie 23 war ein Kleinbus vom Typ „Dolmuş“ und maßlos überfüllt, aber er brachte mich stehenderweise dann doch sicher in mein Hotel, ein Wunder eigentlich, denn der Fahrer hatte während der Fahrt in der einen Hand stets sein Handy am Ohr, in der anderen Hand hielt er ein Bündel Geldscheine fest und fingerte an jeder Ampel damit herum.
Nach dem Einchecken stellte sich heraus, dass ich der einzige Gast war, der das Hotel individuell gebucht hat. Außer mir wohnt derzeit nur eine große Reisegruppe hier, die das Hotel in Beschlag genommen hat. Deshalb war das Restaurant auch exklusiv für diese geschlossene Gesellschaft reserviert. Man bot mir allerdings an, entweder ein zweites Restaurant in einer anderen Etage extra für mich aufzuschließen und mich dort alleine zu bedienen oder mir kostenlos das Essen aufs Zimmer zu bringen. Ich habe mich dann aufgrund der Gemütlichkeit dann doch für letzteres entschieden, so wirklich hungrig war ich nach einem Tag herumsitzen eh nicht.